Kinderwunsch nach schwerer Erkrankung


Wenn eine lebenswichtige Therapie die Fruchtbarkeit bedroht

Eine Krebserkrankung bei jungen Frauen und Männern mit noch offener Familienplanung kann die natürliche Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Operative Eingriffe an Hoden oder Eierstöcken, eine Chemo- oder Strahlentherapie verursachen im schlimmsten Fall eine bleibende Störung der Fruchtbarkeit oder verkleinern bei der Frau die Reserve der Eierstöcke, das heisst die Anzahl gesunder Eizellen. Aber auch gutartige Erkrankungen, (z.B. Rheumatoide Arthritis, Multiple Sklerose etc.) müssen teilweise mit Medikamenten behandelt werden, welche die Keimzellen (Eizellen und Samenzellen) möglicherweise schädigen. Operationen an den Eierstöcken, beispielsweise bei Endometriose, vermindern zum Teil ebenfalls die Fruchtbarkeit.

Vor einer geplanten Operation, Chemo- oder Strahlentherapie sollten Betroffene rasch und individuell beraten werden. In Notfällen können wir dies innerhalb von 24-48 Stunden garantieren. Unser Zentrum hat deshalb eine enge Kooperation mit den onkologischen Abteilungen der benachbarten Spitäler. Zudem sind wir Mitglied im Netzwerk FertiSave, dem Schweizer Netzwerk zur Qualitätssicherung fertilitätserhaltender Massnahmen.

Seit dem 1. Juli 2019 sind fruchtbarkeitserhaltenden Massnahmen, wie das Einfrieren von Eizellen, Eierstockgewebe oder Spermien, bei bösartigen Erkrankungen Pflichtleistung der Krankenkassen. Dies gilt für Jugendliche nach der Pubertät und bei Frauen und Männern bis zum 40. Lebensjahr, falls das Risiko mehr als 20% beträgt, dass die natürliche Fruchtbarkeit durch die Therapie verloren geht.

Die Diagnose einer Krebserkrankung bedeutet eine existentielle Bedrohung. Zu den Ängsten und offenen Fragen kommt der Druck, wichtige Entscheidungen unter Zeitnot treffen zu müssen. Der Gedanke an ein Leben nach der Krankheit - und an einen späteren Kinderwunsch - gibt Hoffnung und Kraft. Lassen Sie sich rasch und umfassend beraten.

Beim Mann:

Kryokonservierung (Einfrieren) von Spermien

Beim Mann ist das Vorgehen einfach. Es müssen vor Beginn einer Therapie eine oder mehrere Samenproben abgegeben werden. Die Spermien werden auf ihre Qualität (Anzahl, Beweglichkeit und Aussehen) untersucht und anschliessend im flüssigen Stickstoff bei minus 196°C in unserem Zentrum eingelagert. Die Spermien können so während vieler Jahre aufbewahrt werden. Zur Erfüllung des späteren Kinderwunsches muss dann - abhängig von der Spermienqualität - eine Insemination oder eine IVF/ICSI-Therapie durchgeführt werden.

Bei der Frau:

Bei der Frau gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: das Einfrieren (Kryokonservieren) von Eizellen nach hormoneller Stimulation der Eierstöcke oder das Einfrieren von Eierstockgewebe. Welche Strategie gewählt wird, hängt davon ab, wie viel Zeit zwischen der Diagnosestellung und der Operation, der Chemo- oder Strahlentherapie bleibt. Ergänzend gibt es Medikamente (GnRH-Analoge), welche die Eizellen teilweise schützen können.

  • Hormonelle Stimulation und Kryokonservierung (Einfrieren) von Eizellen:

Wenn genügend Zeit (ca. zwei Wochen) vor einer Chemotherapie bleibt, können Eizellen eingefroren werden. Die Eierstöcke werden wie für eine künstliche Befruchtung (IVF/ICSI) mit Hormonen zur Produktion mehrerer Eizellen angeregt. Diese werden über einen kurzen vaginalen Eingriff entnommen und anschliessend kryokonserviert. Bei späterem Kinderwunsch werden die Eizellen aufgetaut und mit den Spermien des Partners mittels ICSI-Technik befruchtet. Falls genügend Zeit bleibt, ist eventuell eine zweite Stimulation und Eizellentnahme sinnvoll, um eine möglichst grosse Fruchtbarkeitsreserve anlegen zu können.

  • Entnahme und Kryokonservierung von Eierstockgewebe

Bei der Frau kann eine Laparoskopie (Bauchspiegelung) durchgeführt werden,  um einen Teil eines Eierstocks (Ovar) zu entnehmen. Das Gewebe wird kryokonserviert und bei -196°C aufbewahrt. Jahre später, wenn der Kinderwunsch aktuell ist, kann das aufgetaute Ovar wieder eingepflanzt werden. Es sind somit zwei operative Eingriffe notwendig. Falls das Eierstockgewebe einwächst und die Funktion wieder aufnimmt, hat dies den grossen Vorteil, dass ein normaler Menstruationszyklus in Gang kommt und eine spontane Schwangerschaft möglich ist. Allerdings kann das Anwachsen des Eierstockgewebes nicht garantiert werden und das Gewebe ist auch nicht so lange funktionstüchtig wie ein gesundes Organ ohne Krebstherapie in der Vorgeschichte. Aktuell wird mit einer Erfolgschance von ca. 30% gerechnet. Das Kinderwunschzentrum Baden ist stolz, 2011 als erstes Zentrum der Schweiz eine erfolgreiche Schwangerschaft nach Re-Transplantation von Eierstockgewebe erzielt zu haben.

Autor: Dr. med. Gabriele Rauscher

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